Europa ist paralysiert. Die Bürgerinnen und Bürger Großbritanniens haben sich beim Referendum mit knapper Mehrheit für einen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union entschieden.
Auf beiden Seiten ist der Katzenjammer jetzt groß und ob sich Großbritannien damit einen Gefallen getan hat, ist fraglich. Aber auch für die EU ist dies kein Abschied, den sie letztendlich leicht verkraftet. Zwar ist Großbritannien kein Gründungsmitglied des ursprünglichen, 1957 gegründeten Staatenbundes "Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG", aber einer der drei Staaten, die 1973 in den damals noch wirtschaftlich orientierten Staatenbund aufgenommen wurden.
Der Beitritt Großbritanniens, 1967 beantragt, war nicht einmal ein leichter Weg. Das Gründungsmitglied Frankreich war wenig begeistert und machte gegen den geplanten Beitritt Großbritanniens 1967 von seinem Vetorecht Gebrauch. Dennoch konnte das Vereinigte Königreich 1973 beitreten, nach zähen Verhandlungen.
Nun, vielleicht hätte man damals auf DeGaulle hören sollen, denn Großbritannien entwickelte sich zu einem schwierigen Vertragspartner mit ständigen Forderungen nach Sonderrechten und Extrawürsten, eine wirkliche Verantwortung für die Gemeinschaft wollte Großbritannien nie übernehmen und stellte sich stets als Klotz am Bein der EU dar. Besondere Verantwortung für das schwierige Verhältnis kommt hier der einstigen Premierministerin Margaret Thatcher zu. Sie erreichte 1984 den sogenannten "Britenrabatt". Der "Britenrabatt" beträgt 66 Prozent. In der Regel zahlen die Staaten mehr in die Kassen der EU ein, als sie an Fördergeldern und Subventionen herausbekommen. Dadurch entsteht eine Differenz, die bei der EU verbleibt und aus der sich die EU selbst finanziert. Von dieser Differenz bekommt Großbritannien 66 Prozent wieder zurück.
Großbritannien beteiligte sich auch nie an wichtigen Gemeinschaftsprojekten, wie der Einführung des Euro oder dem Schengen-Abkommen. Man nahm stets die Vorzüge der EU, z.B. Wegfall von Zöllen oder Ähnliches an, wenn es aber darum ging, Verantwortung zu übernehmen, zog man sich in die Ecke zurück und blockte. Viele Verhandlungen innerhalb der EU scheiterten an der sturen, kompromisslosen Haltung Großbritanniens, insbesondere in den Bereichen Bankenaufsicht und -sicherung bis heute. London ist der größte Finanzmarkt Europas und man möchte sich nicht in die Karten gucken lassen, obwohl eine Bankenkontrolle zwingend notwendig wäre. Im Gegensatz zu Frankreich oder Spanien unterstellte Großbritannien bis auf Gibraltar auch nie seine Außengebiete unter die EU, sondern machte in der Regel aus diesen Steueroasen, zum Nachteil der restlichen EU-Mitglieder. Die wichtigsten britischen Außengebiete, zugleich auch Steueroasen, sind Anguilla, Bermudas, Britische Jungferninseln, Gibraltar, Cayman Islands, Monserat, Turks- und Caicosinseln. Hinzukommen noch die Gebiete, die direkt der britischen Krone unterstellt sind, Einnahmequellen der Königin sind (und nicht zu Großbritannien gehören): Isle of Man, Jersey, Guernsey.
Die dubiosen Finanzmärkte sind also eine der Haupteinnahmequellen des britischen Empires und somit ist es kaum verwunderlich, dass man sie nicht unter EU-Kontrolle haben möchte. Darauf dürfte der Austritt der EU zumindest für die Briten keine Auswirkungen haben. Im Gegenteil: Sie können ihre dubiosen Machenschaften in der Finanzwelt forcieren. Hier wird es allerdings für den Steuerflüchtling der verbleibenden EU-Mitgliedsstaaten vermutlich schwieriger, das Geld in den Steueroasen unterzubringen, wenn das legale "Zwischenkonto" in Großbritannien wegfällt.
Seit Maggie Thatcher wurde in Großbrittanien viel an eigener Industriekapazität zerstört, Großbritannien hat außerhalb Londons wenig Arbeit zu bieten und eine hohe Arbeitslosenrate. Das BIP wird weitgehend durch die Finanzmärkte generiert. Hier dürfte sich vermutlich auch wenig daran ändern. Für die EU fällt ein einfacher Absatzmarkt weg. Allerdings ist das wiederum Verhandlungssache. Schwierig wird es für die vielen Briten, die aufgrund der Wohnsitzfreiheit innerhalb der EU außerhalb Großbritanniens wohnen. Sie werden in zwei Jahren für die EU Ausländer sein. Gleiches gilt natürlich umgekehrt ebenso.
Auch Aspekte wie Europol oder "Europäischer Haftbefehl" werden dann künftig in Frage zu stellen sein, dass kan gut aber auch schlecht sein. Es gilt viel zu überdenken. Mittlerweile basieren viele Geschäftsmodelle auch in Deutschland auf britischen "Limited Corporates", sprich Ltd., einer Gesellschaftsform ähnlich der GmbH, jedoch deutlich einfacher und: billiger. Auch hier dürfte es wirtschaftliche und juristische Komplikationen geben, weil diese Ltd's dann nicht mehr Bestandteil der EU sind und somitt nicht mehr anerkannt werden müssen. Auch wenn damit viel Schindluder getrieben wird, für manch einen kleineren Unternehmer ist es dann doch eine legale Möglichkeit gewesen, nicht die 12.500 EUR für eine GmbH aubringen oder das Haftungsrisiko einer GbR tragen zu müssen.
Der Brexit hat allerdings dennoch für Großbritannien weitreichendere Folgen. So besteht die große Möglichkeit, dass sich Schottland dann doch abspaltet und auch die Nordirland-Frage birgt nicht unerhebliche Risiken. Großbritannien ist jetzt das Risiko eingegangen, den eigenen Zerfall hervorgerufen zu haben. Ein sehr hoher Preis, der auch die Wirtschaft Großbritanniens in den Abgrund ziehen kann, denn gerade in Schottland befinden sich dann doch einige, der tatsächlichen Wirtschaftsstandorte außerhalb des Finanzmarktes.
Machen wir uns nichts vor: Gewonnen hat beim Brexit keiner, weder Großbritannien noch die EU.
Großbritannien war nie einfach und ob es mit seiner teils sehr egomanen Einstellung je in die EU gehört hätte, ist fraglich. Dennoch ist der jetzige Ausstieg eine schwerwiegende Sache für beide Seiten, auch wenn Großbritannien vermutlich dabei den weitaus größeren Schaden davon trägt und sich vom Brexit nie mehr wirklich erholen wird.
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