11.09.2018

Küblböck - Der scheinbare Tod eines D-Promis (Ein etwas anderer Nachruf)

Daniel Küblböck, in seinen künstlerischen Anfängen schrill, hysterisch und nervig. Sinnlos durch eine Show gezogen, weil man sich so schön über ihn lustig machen konnte oder: Weil er eben einfach nervte. Künstlerisch brachte er wenig zustande damals, stattdessen war er wohl selbst die Kunst(-figur), als er damals mit knapp 18 Lenzen DSDS verclownte.

Der Sprung ins Rampenlicht gelang ihm damals, ob er aber je sich selbst darstellte, ist fraglich. Ernst genommen hat ihn damals niemand, alle haben ihn verhöhnt und verscheißert, aber: Er war halt dadurch kurze Zeit ein Star. Ein Star mit der Last der Vergänglichkeit. Ob irgendjemand wusste, wer er war und was er darstellte? Keine Ahnung.

Wie schnell man zur Negativpräsenz kommt, erfuhr er nur wenige Zeit später, als es es sich Kfz lenkend ohne Führerschein in einem Gurkenlaster gemütlich machen wollte. Ja, der Küblböck ... wie kann er nur. Ja, er konnte. Eben so, wie es andere in seinem Alter auch konnten und wohl auch immer können werden. Die Freiheit des unüberlegten Tuns. Dazu zählt auch, mit 18 seine Autobiografie zu schreiben. Autobiografien sind ein Abschluss mit dem Leben.

Wirklich präsent war er danach nur seinen Fans. Er war, bis auf wenige Ausnahmen raus aus dem medialen Kunstfigurenkabinett. Hier mal eine Talkshow, dort mal ein Konzert in kleinem bis kleinstem Rahmen oder eine Rolle. Nicht verkehrt - eigentlich - wenn man D-Promi ist. Bedeckt halten und ab und an den Deckel aufmachen und rausgucken, was abgeht und dann das mitnehmen, was ansteht.

Man möge mich nicht falsch verstehen: Niemand hat es verdient zu sterben, schon gar nicht mit 33 oder weniger Jahren in der Zulassung. Als Mensch bekommt man da noch lange nicht das H-Kennzeichen.
Wir, die alles mitbekommen, können uns darüber aufregen, trauern, hytserisch zerreden, wenn jemand freiwillig aus dem Leben scheidet, aber egal was wir uns vormachen: Für denjenigen war irgendetwas am Tode gerade besser. Die Gründe dafür sind immer vage Spekulation, wenn sie nicht vorher von demjenigen explizit dokumentiert werden. Das Geklage können wir uns wirklich schenken, denn in der Regel sind wir es, die durch unsere Ignoranz derartige Entscheidungen mit befördern. Das es da einen Küblböck gab, ist vielen erst wieder eingefallen, als er jetzt offensichtlich über die Reeling eines kreuzfahrenden Seelenverkäufers hopste. Ich schließe mich da nicht aus. Mir war der Typ schlichtweg vollkommen Brille.

Dennoch macht mir ein derartiges Tun auch immer wieder bewusst, dass es eben jene Menschen gibt, die nicht unerhebliche seelische Lasten mit sich herumschleppen. Küblböck ist da nur vermutlich ein Beispiel dafür. Schauen wir nach links oder rechts (damit meine ich vollkommen unpolitisch tatsächlich einmal die Seiten), so finden wir immer jemandem, dem es in diesem Augenblick beschissener geht, als uns selbst und dem Clown, der alle stets zum Lachen bringt, geht es meist am dreckigsten, weil niemand das Elend hinter der lachenden Fassade sieht.

Was auch immer Küblböck dazu bewogen hat, es ist passiert und es steht uns nicht zu dies zu bewerten. Er wollte es so. Seine Regeln.

Sami A. und die Sicherheitsfirma - Ein Statement

Oh, welch Vorfall. Terrorfürstbeschützer Sami A. hat in Deutschland gearbeitet. Bei einer Sicherheitsfirma. Von 2000 bis 2001 ... wow, welch Stoff für die Presse.

Ehrlich, Freunde von der schreibenden Zunft, Ihr seid zu blöd zum Recherchieren. Ihr tippt irgendwelchen von jedem Hintergrund befreiten Bullshit in Eure Tastaturen ohne Euch überhaupt in irgendeiner Form vorab zu informieren und langfristig betrachtet wundert Ihr Euch dann, dass man Euch "Lügenpresse" nennt. Wo ist der Qualitätsjournalismus geblieben?

Ich mache dann mal Euren Job und kläre die von Euch für blöd verkaufte Menschheit auf:

Bis Ende 2014 sahen die relevanten gesetzlichen Vorschriften (§34a GewO und BewachVO) vor, dass Sicherheitsmitarbeiter/innen bei der zuständigen Behörde (i.d.R. die Ordnungs- oder Gewerbeämter des Firmen- oder Niederlassungssitzes) unter Vorlage der Befähigung (Unterrichtung/Sachkunde gem. §34a GewO) und einem aktuellen Führungszeugnisses angemeldet werden mussten. So der Text des Gesetzes grob umrissen. Anmelden heißt nicht Genehmigung abwarten. Die Behörden führten in der Regel keine Tiefenprüfung durch und meldeten sich in der Regel nur, wenn sie der Beschäftigung widersprachen. Es gab keinerlei Wartefristen. 

Knackpunkt war das Führungszeugnis. In diesem stehen nur rechtskräftige Urteile und das auch nur für eine bestimmte Zeit. Ermittlungsverfahren, Staatsschutzstorys oder Gefährdermitteilungen stehen dort nicht drin und standen es auch nie. Wenn also nichts im Führungszeugnis eingetragen war und ein Sami A. über die seit 1996 erforderliche Unterrichtung für das Bewachungsgewerbe gem. §34a GewO verfügte, bestand kein Grund für die Bewachungsunternehmen, ihn nicht einzustellen. Es wäre für sie auch nicht erkennbar gewesen. Nirgendwo. Es hätte jedes Bewachungsunternehmen treffen können.

Die Berliner Morgenpost trötet herum, die Firma bewacht Flughäfen und militärische Einrichtungen.
JA UND?
Alle Mitarbeiter/innen die an einem Flughafen arbeiten, egal ob im Zeitungsladen oder im Sicherheitsbereich, werden gemäß Luftfahrtsicherheitsgesetz von den Sicherheitsbehörden überprüft. Gleiches gilt für militärische Einrichtungen. Hier ist in der Regel mindestens eine Überprüfung SÜ1 nach Sicherheitsüberprüfungsgesetz - in der Regel jedoch SÜ2 - erforderlich, durchgeführt entweder vom BmWi oder dem MAD.

Wenn man also einen Skandal herbeizaubern möchte, dann bitte mit der Frage, warum die Sicherheitsfirma von den Sicherheitsbehörden vor 18 Jahren nicht über den werten Herrn informiert wurde, wenn doch alles scheinbar schon bekannt war. Heute damit zu kommen und einen Skandal zu Lasten eines Unternehmens zur produzieren, ist skandalös. Abgesehen davon: Die Aufbewahrungsfrist für Personalunterlagen beträgt 10 Jahre nach Ausscheiden aus dem Unternehmen. 

Heute hat sich die Gesetzeslage geändert, allerdings nicht wirklich zum Besseren. Zwar werden die Mitarbeiter tiefer gehend überprüft, allerdings dauert dies teils ein Vierteljahr und mehr, so dass es den Sicherheitsunternehmen kaum möglich ist, vernünftige Personalpolitik zu betreiben und auf Personalbedarf zu reagieren. Das ist der eigentliche Skandal.

09.09.2018

Rechts außen ist leider schon drinnen

In Chemnitz wird ein eher linker Deutscher mit Migrationshintergrund bei einer Messerstecherei nach einem Stadtfest getötet und zwei weitere Menschen verletzt. Die mutmaßlichen Täter: Ein Iraker, ein Syrer -bereits festgenommen- und ein weiterer Verdächtiger, nach dem noch gefahndet wird.
Über die Hintergründe dieser Auseinandersetzung hingegen ist vergleichsweise wenig bekannt, eigentlich nichts.

Dennoch mobilisiert die rechte Szene, allen voran AfD und Pegida, den besorgten Bürgermob zu mehreren besorgten Bürgermobdemos, mit dabei die rechte Hooliganszene, die für handfeste rechtslastige Auseinandersetzungen bekannt ist. In den deutschen Stadien sind entsprechende Szenen durchaus beschämender Standard, insbesondere ab 2.Bundesliga abwärts. In Chemnitz traf sich das Who-Is-Who der Rechten, "Der III.Weg", AfD, Pegida, NPD.

Die erklärten Feinde: Journalisten, Linke, Ausländer und natürlich der verhasste demokratische Staat, den man natürlich nur an einer Person festmacht: Angela Merkel. Und mittendrin der aufgeputschte sozial abgehängte Pöbel, der alle anderen für seine gescheiterte Existenz verantwortlich macht, nur eben nicht sich selbst.

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Chemnitz war in den letzten gut siebzig Jahren nie eine schöne Stadt, auch nicht, als es zu DDR-Zeiten Karl-Marx-Stadt hieß. Das Relikt aus dieser Zeit, der "Nüschel" steht heute noch. Ich kenne Chemnitz von Kindheit an. Meine Mutter wurde dort geboren, Onkel, Tante, Stiefgroßmutter lebten dort.  Als Kind war ich zwei- bis dreimal im Jahr dort und das Faszinierenste waren immer die Großraumstraßenbahnen der Marke "Tatra", um die ich als Ostberliner die Chemnitzer beneidete. Ich kenne sogar noch die historische Linie 3 nach Rottluff, eine "Oldtimer-Straßenbahn" mit einer besonderen seltenen (Schmal-)Spurbreite und englischen Fahrzeugen, die irgendwann einer Buslinie weichen musste, weil Wagen- und Streckenunterhalt nicht mehr finanzierbar waren.

Ansonsten wurde Chemnitz im Krieg angloamerikanisch plattgemacht, Es gibt defacto außer Rathaus und rotem Turm keine Altstadt mehr. Wiederaufbau geradlinig, zweckorientiert, sozialistisch - häßlich. Karl-Marx-Stadt wurde eine sozialistische Industriestadt und Hauptsitz der sowjetisch geplünderten Wismut (Uran-Bergbau).
(https://de.wikipedia.org/wiki/Chemnitz#/media/File:Die_Innenstadt_von_Karl-Marx-Stadt_1977.jpg )

Geändert hat sich heute an Chemnitz nicht sehr viel, eigentlich ist es mit den nach der Wende entstandenen Neubauten noch häßlicher geworden.
So ist es fast verständlich, dass man auf die wenigen Dinge stolz ist, die geblieben sind, mit anderen Worten: Man hat dort nur noch Patriotismus und Deutschtümelei. "Wir haben (hatten) ja nischt".
Man ist dort bei dem geblieben, was mich schon seit Kindheit an genervt hat: Neid, der einem in breitem Sächsisch immer wieder unter die Nase gerieben wird. Heulender, nerviger Neid auf alles, was vermeintlich mehr hat und das Unvermögen, zu erkennen, dass es eben nicht so ist.

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Der Frust ist generell groß im rechten Rand vom Osten. Nach der Wende wirtschaftlich plattgemacht und "zwangsbegrünt". Ja, Kohl's grüne Landschaften haben sie dort bekommen, mehr aber auch nicht. Nicht einmal eine schöne neue alte Innenstadt wie Dresden. Da nimmt man gerne einen traurigen Anlass wie diese Messerstecherei zum Anlass, auf sich aufmerksam zu machen. 
Letztendlich zeigen sich derzeit in Chemnitz wieder die Fehler der letzten knapp dreißig Jahre. Oft genug hat man den "Ossis" gezeigt, dass sie nichts wert sind, was nicht nur für Chemnitz oder Sachsen gilt. Wen man mit drei bis fünf Euro pro Stunde Tariflohn über zwei Jahrzehnte zur Arbeit schickt, von dem darf man kein Verständnis für grunddemokratische Wesenszüge und Lebensarten erwarten.
Der Osten Deutschlands wurde bis heute nicht integriert, es war aus wirtschaftlicher Sicht auch nie wirklich beabsichtigt, schließlich sollte das Gebiet der ehemaligen DDR keine Konkurrenz für die westdeutsche Wirtschaft werden und wenn doch, dann sollte es wenigstens die Löhne im Westen drücken. Divide et impera - Teile und herrsche.

Und es war klar, dass sich diese Politik eines Tages fürchterlich rächen wird. Wenn der Ossi alles ist, aber eines ist er sicherlich nicht: blöd. 
AfD, Pegida und andere rechte Gruppierungen haben das Problem schnell erkannt und machen es sich ausgiebig zunutze. Und der Ossi hat endlich das Ventil gefunden, um seinen Unmut über Demokratie, Bundesrepublik, Regierung und die Verarschung der letzten knapp drei Jahrzehnte herausdampfen zu können. Flüchtlinge und Gewalttaten, wie die von Chemnitz, sind da letztendlich nur Mittel zum Zweck. Mit den Flüchtlingen hat man lediglich ein Mittel in die Hand bekommen, die Tritte nach unten weiterzugeben. Es geht tiefer, viel tiefer und solange man dieses Problem nicht erkennt oder erkennen will, wird sich da auch nicht viel daran ändern. In den letzten 100 Jahren hat der Osten Deutschlands gerade einmal 29 Jahre in Demokratie gelebt. Diese 29 Jahre boten mehr (wirtschaftliche und politische) Unsicherheit als Sicherheit und man hat es politisch versäumt, die Sicherheit zu schaffen. Es ist also nur logische Konsequenz, dass man im Osten eher bestrebt ist, in diktatorischen Dingen Halt und Hilfe zu finden. Der Mensch ist dann doch recht einfach gestrickt und verkündet das Ende des freiheitlichen Experiments. Dass er dabei wieder elitären, diesmal rechten Wessis auf den Leim geht, erkennt er nicht, was an sich ja schon tragisch genug ist, aber es ist eben für unbedarfte Geister befreiend, wenn einem gesagt wird, dass man die Schuld für das eigene Elend einfach durchreichen kann. 

Aber auch hier trägt die etablierte Politik große Verantwortung, weil sie das zulässt, deckt und auch unterstützt, in dem sie - wie Seehofer - Ressentiments fördert und für sich auslebt, um schleimig das Wahlvolk damit einzulullen. So etwas kann sich nur rächen. Dabei ist es vollkommen egal, ob sich damit ein Verfassungsschutzchef Maaßen lächerlich macht und zum Abschuss freigibt. Er folgt nur der Politik seines Dienstherren. Man möchte keine Gefahr von rechts, also darf es sie nicht geben. Da macht man dann lieber aus einer hasserfüllten Demo des rechten Mobs einen beschaulichen Schäfchenabtrieb und wer das anders sieht, hat ein Problem. Da wird die national-patriotische Herde schnell zu allem, was man hat.

Selbst der NSU-Skandal ist derzeit politisch dermaßen aufgeweicht worden, dass es schon schmerzt. Auf Befehl. Geschredderte Akten, ominöse V-Leute des Verfassungsschutzes und eine Aktensperrfrist von 130 Jahren sind bezeichnend für das Problem. Der Staat oder nicht unerhebliche Teile dessen haben die Pfoten ganz tief drin. Der NSU-Skandal geht viel tiefer, aufgeklärt wird er jedoch nie, zu tief steckt der der Staat seit dem kalten Krieg in diesen Strukturen fest. Links, kommunistisch und sozialistisch ist eben der Feind der "Demokratie" und dabei soll es gefälligst auch bleiben. wenn sich natürlich rausstellt, dass der Staat für rechte Morde zumindest durch indirektes Handeln in großem Maße (auch durch Unterlassen) mit verantwortlich ist, wäre dies ein Erdbeben. So schweigt man sich lieber in Hüllen, geht in Deckung und versteckt sich hinter Geheimhaltungsdünkeln der Geheimdienste, was auch der Grund dafür sein dürfte, dass man ungern eine VS-Beobachtung rechter Parteien a la AfD durchführen möchte. Die Erkenntnisse wären durchaus verheerend.

Chemnitz ist unser kleinstes Problem.

Links: Gegen rechts - aber nicht wirklich: Judenhass ist doch ok ...

 Die deutsche Wirklichkeit hat ein neues Projekt für sich entdeckt. Seit dem Bekanntwerden der Correktiv-Recherche über ein Treffen rechtsla...