02.03.2018

Abgetafelt

Die Essener Tafel und ihr Vorsitzender sind derzeit in aller Munde, nachdem die Neuaufnahme von Bedürftigen mit Migrations- bzw. Flüchtlingshintergrund gestoppt wurde und nur noch Menschen aufgenommen werden, die einen deutschen Ausweis oder Pass vorweisen können. Begründet wurde dies u.a. mit dem rüpelhaften Verhalten einiger Bedürftiger mit Flüchtlingshintergrund, insbesondere junger Männer.

Seither wird der Vorsitzende samt der Belegschaft der Tafel als Nazi beschimpft und auf allen politischen und medialen ebenen gescholten und zurechtgewiesen. Die Fahrzeuge der Tafel wurden mit "Nazis" besprüht. Alle sind wie immer schlauer und wie bei der Essener Tafel selbst neigt man auch schnell bei den Kritikern des Geschehens zur Stigmatisierung.

Stigmata als Mittel des Wegschauens.
Nun kann man sich sicherlich trefflich darüber streiten, ob der Weg, den die Essener Tafel beschritt, der richtige war oder ob es nicht andere Mittel und Wege gegeben hätte, eine Lösung zu finden. Um dies entscheiden zu können, muss man zuerst einmal vor Ort sein und nicht aus der Ferne Urteile fällen. Wir dürfen auch eines nicht vergessen: Es geht um die NEUAUFNAHME. Dieses Wort dürfte sich doch von alleine erklären. Es bedeutet, dass ALLE, die bisher dort registriert sind, dort auch weiter ihr täglich Brot abholen dürfen, auch die, um die es letztendlich ja geht.
Stigmata als Mittel des Wegschauens sind beliebt geworden in unserer Zeit und letztendlich auch von allen politischen Seiten. Statt Probleme zu besprechen und auch über Lösungen nachzudenken, wird weggesehen. Leider eines der Hauptprobleme der demokratsichen Kräfte in unserem Land, gepaart mit einer Blindheit gegen Extremismus, insbesondere gegen Rechts.
Zu wenig wird auf die tatsächlich vorhandenen Probleme eingegangen, während Rechts - insbesondere in Form der AfD - durchaus Mittel und Wege erkannt hat, sich zumindest durch Scheinintresse bestimmter Probleme zu bemächtigen. Der Erfolg dieser Partei ist und bleibt ein Versagen der demokratischen Kräfte in unserem Land.

Kommen wir zurück zur Tafel.
Es ist egal, wo sich die Tafel befindet. Es ist nicht Schuld der Tafeln, dass sie notwendig sind. Es ist das Ergebnis der Schleifung des Sozialstaates, es ist das Ergebnis der dramatischen Rentenkürzungen der letzten Jahre und einer Verrohung auf allen sozialen Ebenen. 
Wir können auch davon ausgehen, dass es in den kommenden Jahren noch viel dramatischer wird, denn noch hat der Niedriglohnsektor die Rentner nicht richtig erreicht. Die betroffene Generation arbeitet in der Regel noch oder bekommt Hartz4. Da wird die jüngste Forderung vom vermutlich neuen Gesundheitsminister Jens Spahn (37, CDU) nach weiteren Kürzungen der gesetzlichen Rente zur Farce. Derzeit beträgt die gesetzliche Rente in etwa 43 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens der letzten 10 Arbeitsjahre unter der Voraussetzung, dass man 45 Jahre versicherungspflichtig gearbeitet hat. Vor der Ära Gerhardt Schröder (SPD) waren es noch etwas über 60 Prozent. 
Die Tafeln werden also ihre Bedeutung sicherlich nicht verlieren. Man kann letztendlich davon ausgehen, dass gerade die Altersarmut noch extrem ansteigen wird. Wer derzeit 1000 Euro Rente bekommen möchte, benötigt ein kontinuierliches Mindesteinkommen von 4000 Euro brutto über 10, besser 15 oder 20 Jahre. 

Umso mehr macht es natürlich auch Sinn, die heutigen und kommenden Bedürftigen gegeneinander auszuspielen. Die Tafeln, in der Regel in ihrer Verantwortung allein gelassen, sind hier auch nur Mittel zum Zweck. Die Politik, egal von welcher Partei sie auch ausgeht, möchte hier keine Lösungen. Man hat die soziale Verantwortung anderen übergeholfen, die es eigentlich nur gut meinen, in dem sie diese Verantwortung wahrnehmen. Stattdessen werden sie beschimpft und stigmatisiert, wenn sie unorthodoxe oder vielleicht auch insbesondere moralisch falsche Entscheidungen treffen und alle machen dabei mit, anstatt zu helfen und auch einmal die eine oder andere Lösung für ein bestehendes Problem anzubieten.
DIVIDE ET IMPERA - TEILE UND HERRSCHE.

Und mit Teilen ist sicherlich nicht das Teilen von Vermögen und Profiten gemeint, sonder die Teilung und Spaltung der Gesellschaft und die Spaltung der Gesellschaft ist in vollem Gange, nicht nur durch die AfD. Wenn sich zwei streiten, freut sich der Profiteur. Was beispielsweise im deutschen Arbeits- oder Wohnungsmarkt dank Niedriglohnsektor und künstlicher Wohnungsknappheit schön längst Fuss gefasst hat, erreicht eben jetzt auch soziale Organisationen wie die Tafeln. Uns so sehr, wie man jetzt über die essener Tafel schimpft und zetert: Es ist politisch so gewollt und Jörg Sartor mit seiner Tafel ist letztendlich nur darauf hereingefallen und hat auf der Suche nach Lösungen den Weg genommen, der vielleicht nicht der fairste und sozialste war und ist. Er ist doch, wenn wir ehrlich sind, in einer Situation, in der er nur falsch handeln kann. 

Was wären die Alternativen gewesen?
Getrennte Öffnungszeiten. 
Hat eine Tafel bereits versucht und sich damit den Zorn der "Nationalisten" auf sich gezogen, die dann geschrien haben, Deutsche würden benachteiligt.
Getrennte Räumlichkeiten. 
Auch hier würden wohl einige sehr sehr laut schreien, weil dies der Integration entgegensteht.
Wachschutz. 
Kann sich keine Tafel leisten.

Die Alternative kann nur sein, dass der Staat seine Verantwortung wahrnimmt und der Notwendigkeit der Tafeln entgegen tritt und das funktioniert nur durch

- Verhinderung von Altersarmut;
- Verhinderung prekärer Arbeitsverhältnisse durch Niedriglöhne;
- Erhöhung der Sozial- und Bildungsausgaben.

Aber hier werden wohl die Wirtschafts- und Konzernlobbyisten dem Staat erfolgreich aufzeigen, dass es so nicht geht. Divide et impera - Teile und herrsche.
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Nur sollten wir, Bürgerinnen und Bürger, genau dies nicht gefallen lassen, in dem wir fleissig beim Auseinanderdividieren mitmachen.
           

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